Klas Ewert Everwyn. Das Geheimnis der Nicolini. Eine Liebe im bergischen Glaubenskampf, Droste Verlag 2005

 

 

Wie wenige Literaten trägt Klas E. Everwyn in seinen historischen Romanen dazu bei, der Gegend zwischen Sieg und Bröl literarisches Profil zu geben. Dabei bedient er sich ausgiebig der Geschichte dieser Region und solcher Ereignisse, die im Gedächtnis der Bevölkerung erzählerische Spuren bis in die Gegenwart hinterlassen haben. Was die bergische Lokalgeschichte als heimatkundlichen Grund und Boden im Lauf vieler Jahrzehnte erarbeitet und so oder so sedimentiert hat, bekommt in seinen Erzählungen Gesicht, Farbe und Gestalt. Wobei er das Dokumentarische und den Beitrag zu einer nach wie vor wichtigen Erinnerungskultur bei aller Problematik nicht aus den Augen und Absichten verliert. So in seinem Zyklus aus den Jahren der bergischen Befreiung vom napoleonischen Joch, der seit seinem Erscheinen in den 80er und 90er Jahren für spätes Aufsehen um die Gestalt des 1813 hingerichteten Aufständischen Paul von Bettenhagen sorgte. Nicht minder in dem 2005 erschienenen Roman „Das Geheimnis der Nicolini“, der die hundert Jahre früher angesiedelten örtlichen Ereignisse rund um den sog. Kreuztumult mit seinem durchaus aktuellen religionskritischen Bezug zum Gegenstand hat. Der daneben auch ähnlichen glaubensbedingten Entgleisungen in anderen Teilen der damaligen Welt seine Aufmerksamkeit schenkt.

Die Geschichte ist schnell erzählt. Sie könnte wie der preisgekrönte Roman früherer Jahre im Kern Vorwurf eines spannenden Jugendbuches sein. Ein aus dem Veltlin mit seiner Familie ins Bergische nach Neviges emigrierter junger Mann gerät durch einen Geschäftsauftrag in die ihm unbekannte südbergische Gegend von Waldbröl und Umgebung. Sein Auftrag sowie  die unerwartet aufsprießende Liebe zu einer Andersgläubigen, aber auch die sich abzeichnende Chance, einem Familiengeheimnis und religiös motivierten Massaker in seinem Heimatland auf die Spur zu kommen, halten ihn vor Ort länger fest als gedacht. Er gerät unversehens in die sich aufschaukelnden Konflikte zwischen den Angehörigen der vor Ort vertretenen drei christlichen Religionen, die in dem historisch überlieferten handgreiflichen Tumult um ein Prozessionskreuz ihren Höhepunkt finden. Ein mit aufregenden Erlebnissen verbundenes persönliches Happy end und die Befreiung von den Fesseln der familiären Überlieferung und Unterdrückung krönen die Erzählung. Das Geheimnis der Familie Nicolini wird am Ende ebenso gelüftet wie auch die Hauptfiguren trotz aller Widerstände ihr Glück finden.

Zum Wesentlichen der an gesellschaftlichen Vorgängen interessierten Erzählung gehört, dass der Held in eine durch unsichtbare Mauern getrennte ländliche Bevölkerung gerät, in der für den Durchschnitt der dort Lebenden nur die Maßstäbe und Sichtweisen der eigenen Religion zählen, obwohl die Menschen in den Dörfern eng beieinander leben und miteinander umgehen. Das mag zum Verständnis auch gegenwärtiger Konflikte in aller Welt beitragen, obgleich deren Motive oft andere sind. Die historischen Gegebenheiten des bergischen Territoriums des beginnenden 18.Jhs  spiegeln sich in Orten, Einrichtungen und Personen und sie erschließen eine durch die Lokalgeschichte verbürgte Landkarte samt deren räumlichem und kulturgeschichtlichen Potential. Die den damaligen Lokal - und Herrschaftsverhältnissen zugeordneten Fakten haben in der historischen und lokalen Überlieferung ihre Entsprechung. Der Leser findet sich also, was das historische Personal der Zeit und die Geographie der Gegend rund um Waldbröl angeht, im  Bekannten bzw. Überlieferten realistisch wieder. Dass der Erzähler nicht nur die Historie, sondern auch die Gegenwart im Blick hat und für ein humanes Miteinander wirbt, ist nicht zu übersehen,. Es macht in seinem aufklärerischen Begehren den Anspruch des Buches deutlich.