A.W. F. von Zuccalmaglio über die Ereignisse von 1813

 

a) Situation und Anlass

In den ab 1988 dreibändig von Else Yeo im Eigenverlag herausgegebenen „Erinnerungen“ des Anton Wilhelm Florentin  von Zuccalmaglio  findet sich in Band 1 (S.,45 ff) des Rückblicks  u.a. eine Darstellung der Ereignisse im Bergischen unmittelbar vor Beginn der Befreiungskriege.

Der 1869 in Nachrodt im Märkischen nahe Altena Verstorbene verfasste die anschaulichen Berichte über wichtige persönliche und Zeitereignisse lt. Yeo in den letzten Lebensjahren  (1803–1869). Seit Ende der Napoleonischen Zeit gehörte  das Rheinland zu Preußen und Wilhelm I. regierte ab 1861. Der Autor hatte die gegenüber Frankreich freundlichen Einstellungen seiner Jugendzeit wie die meisten Zeitgenossen aufgrund der Lebens- und Zeitereignisse inzwischen hinter sich gelassen und war zum Patrioten geworden.

Obwohl der Name des in Waldbröl erschossenen Paul von Bettenhagen nicht genannt ist, erscheint die aus 50 jährigem Abstand verfasste Darstellung bedeutsam genug, sie wegen der  historischen Einordnung des Bergischen Aufstands hier einzufügen. Verblieben ist in der Erinnerung, dass die eigene Familie durch den Onkel Ferdinand, der 1813 zu den wenigen bergischen  Gefolgsleuten Napoleons gehörte, die den Weg über die Beresina zurückfanden, von den Ereignissen am Ende der Napoleonischen Zeit unmittelbar betroffen war.

Die Textstelle ergänzt damit aus größerem Abstand  den von Pfarrer Bruch 1832 in der ev. Pfarrchronik mitgeteilten lokalen Bericht, der dem Verfasser zweifellos unbekannt war.

Als Quelle dieses Teils der Lebenserinnerungen diente lt. Verfasserin die Kölner Mappe  im Besitz des musikhistorischen Instituts der Universität (vgl Einleitung Band 1). Dass die dreibändigen „Erinnerungen“ inzwischen vergriffen sind, lässt  eine Neuauflage wegen der lebendigen Darstellung der Zeitvorgänge nicht nur aus lokaler Sicht als wünschenswert erscheinen.

 

b) Text

Mein Großvater hatte [für die französische Sache] die besten Hoffnungen. An seiner großen Karte hatte er die Stellungen der Heere mit Nadeln bezeichnet und bewies seinen untergeordneten Bediensteten, dass der geistreiche Feldherr siegen, dass seine Gegner unterliegen mussten. Er hatte im Heere einen Sohn Ferdinand, Hauptmann bei der bergischen Artillerie, der glücklich über die Beresina zurückgekommen, der aus dem Heere Briefe voller Siegeshoffnung schrieb. Neue Verlegenheiten kamen  mit der Aushebung. Um diese Zeit hatten die Nachrichten von dem Ende der Schmach die entferntesten Winkel durchlaufen. Die Menge hatte sie wohl unrichtig verstanden, hatte die Kraft, die dem Feinde geblieben, zu sehr unterschätzt, dachte mit ihm das kürzeste Verfahren einzuhalten. Als die dienstfähige Mannschaft daher eingefordert wurde, [sich erneut als Rekruten zur Verfügung zu stellen], lehnte diese sich an vielen Orten auf, schlug missliebige Beamten tot, plünderte die Salz- und Tabaksladen , die vom  Staate begünstiget, den Alleinhandel führten.

...Wäre dies Verfahren besser vorbereitet gewesen, von kundigen Führern geleitet worden,  hätten die verschiedenen Banden in Verbindung gehandelt,  so wäre gewiss der Sturz des Gewaltherrn  noch rascher, noch verhängnisvoller geworden.  Allein das war nicht also. Die verschiedenen Banden hatten keine verständigen Führer, jede handelte auf eigene Faust, jede wütete wie der Hund, welcher den Stein beißt, den Werfenden aber übersieht, und gegen einzelne missliebige Beamte, und glaubten damit alles getan zu haben. Der erste Schreck legte sich daher bald unter den Franzosen, sie ließen die Aufständischen fort wüten und schwelgen, sammelten indessen die kleinen Soldatenhäuflein, welche sie zur Verfügung hatten, mit den Landreitern, die man jetzt Gendarmen nannte, und nun überfielen sie einen Schwarm nach dem andern, sprengten sie auseinander und erschossen die Rädelsführer. Weil die Aufständischen den Russenkaiser stets leben ließen, anders hatten sie keine Fahne, kein Vereinigungswort, und weil sie nur mit Stöcken bewaffnet waren, nannte man sie die Knüppelrussen: Die nächsten in unserer Gegend kamen bis Bensberg, wo sie aufgehoben wurden. Nach diesem Zwischenspiele, das in Elberfeld, an der Acher, an der Sieg zugleich Unglücke führte, wurden die Kriegspflichtigen strenge eingezogen und gedrillt, dann auf den Kampfplatz geschickt. Nur wenigen gelang es, sich in den Wäldern und Schluchten zu bergen, bis gegen Ende des Jahres die Verbündeten einrückten. Mein Großvater hatte noch immer Hoffnung zu dem Sterne des Kaisers, aber mein Oheim Franz, der von der Lehranstalt Bonn in die Freizeit einrückte, brachte ganz andere Gedanken mit nach Hause...