Verdrängt und gleichgeschaltet. Das Ende der Waldbröler Zeitung 1934. 

a)Situation und Anlass

Zum Ende der  „Neuen Waldbröler Zeitung“ im Januar 1934 gehört eine bewegende Abschiedserklärung von Redaktion und Verlag. Sie fand sich zuletzt in kompletter Wiedergabe bei E. Hundhausen in seinem Band „Anno Tubak“ von 1977. Der Abgleich mit dem Original brachte die Ausmerzung einiger Abweichungen der früheren Edition. Der Text, mit dem sich Schriftleitung und Verlag gegen die nicht mehr zu umgehende NS- Konkurrenz des OB zur Wehr setzten, legt Rechenschaft ab über den Weg des Blattes in Vergangenheit und Gegenwart und versucht, den bleibenden Wert der Zeitung für die Leser einer späteren Zeit herauszustellen. Die ausdrückliche Berufung auf die geschichtliche Verantwortung gibt den Worten eine über die Aktualität  hinausreichende Bedeutung.

Der Verlag stellt der NS-Staatspresse das eigene privatwirtschaftliche und weitgehend „politikfreie“ Konzept  als klassische Machart einer Presse auf dem Land gegenüber.. Interessant ist es, einige Unterwerfungsgesten gegenüber den neuen Machthabern zu beobachten, auf die der Verlag zeittypisch nicht glaubte verzichten zu können. Auffällt auch der stille Verzicht auf Versprechen, welche der Verlag ein Jahr zuvor bei der Umstellung auf ein neues Layout noch machte.

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b) Text

Das ist die letzte Nummer der Waldbröler Zeitung, die wir unseren Lesern ins Haus senden. Wenn eine Zeitung nach über 89 Jahren ihres Bestehens [eine irrtümliche Zählung, wie auch Hundhausen nachrechnet] Abschied von ihren Lesern nimmt, dann ist das nicht leicht. Verlag und Schriftleitung, die  dieses Abschiedswort hinausgehen lassen müssen, stehen auch nicht an, dieses Nachdenkliche und Schwere, das mit solchem Abschiednehmen verbunden ist, zu verbergen. Es wäre ein schlechter Erweis für die Gesinnung, mit der sie ihr Blatt so viele Jahre betreut haben, wenn es anders wäre [….] .Aber zum Abschied mag doch Einiges von grundsätzlicher Bedeutung gesagt sein — nicht unseretwegen,  sondern deshalb, weil es uns am Platze erscheint, auszusprechen, was für die Beurteilung unserer fast hundertjährigen Zeitung vielleicht wertvoll ist.

Die Waldbröler Zeitung war seit ihrer Gründung bis zum Ende ein Vertreter der Zeitungsart, wie sie in fast allen ländlichen Gauen unseres Vaterlandes seit etwa 100 Jahren anzutreffen war: ein privatwirtschaftliches Unternehmen, bei dem Herstellung, Verlag und Schriftleitung auch bei wachsender Arbeitsteilung in der Hand eines Unternehmers lag.. Sie war zudem bis vor einigen Jahren amtliches Kreisblatt des ehemaligen Kreises Waldbröl. Daß sie ein privatwirischaftliches Unternehmen war, wird ihr niemand übelnehmen. Das waren und sind heute noch fast alle Zeitungen. Erst der' nationalsozialistische Staat beginnt eine von privatwirtschaftlichen Bindungen unabhängige Presse aufzubauen.

Ihrem Charakter nach war die Waldbröler Zeitung in erster Linie immer ein Heimatblatt. Das legte ihr die Pflicht auf,, eine unpolitische Zeitung zu sein. Wer die alten Jahrgänge durchsieht, wird zugeben müssen, daß sie sich — oft unter dem Widerstand ihrer Leser und ihrer Konkurrenz – um diese politische Neutralität mit allen Kräften ehrlich bemüht hat. In den ersten Jahren ihres Bestehens tobten in Preußen und allen deutschen Ländern die Verfassungskämpfe. Es ist nicht ohne Reiz, in den alten Bänden festzustellen, wie durchaus heimatlich und lokal kühl die Ereignisse sich im "ämtlichen Organ" ansehen. Im allgemeinen war ja bis etwa zur Jahrhundertwende für eine ländliche Zeitung politische Neutralität keine Hexerei. Im alten Kaiserreich wurde Politik eigentlich nur in den Großstädten und in auserwählten Kreisen getrieben. Die Deutschen waren damals in weniger gutem Sinne ein unpolitisches Volk. Die in den 80er Jahren erwachende Gewerkschaftsbewegung hatte ihr Arbeitsfeld in den Industriestädten. Das Land wurde kaum davon berührt. Auch die Kreise nicht, die – wie der Kreis Waldbröl – ein großes Heer Saisonarbeiter in die Städte schickte; Bis zum Jahre 1918 hatte in Waldbröl noch kein marxistischer Politiker gesprochen! Der Kreis Waldbröl war wirklich politisch ruhiger Kreis. Daraus kann man keinen Vorwurf machen — so waren damals fast alle Landkreise.

Wenn dann aber in der Mitte des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrhundert freisinnige Politiker und konservative Parteileute im Römerschen Saale erste Redegefechte lieferten, so waren das Anzeichen dafür,  daß der  politische Wille im Kreise Waldbröl erwacht war. Dabei wurde denn deutlich, daß das konservative Element zu erstarken begann und eine Richtung genommen wurde, die mit kurzer Unterbrechung die nationale Revolution zum Ziele hatte. So kann man rückschauend — auch in dem unpolitischen Kreise Waldbröl die Linien verfolgen, die zu dem Siege der nationalen Revolution führen, die ja gerade im Kreise Waldbröl recht früh und eindrucksvoll in Erscheinung trat [….].

Wozu dieser Rückblick? Die  Waldbröler Zeitung hat sich in diesen wechselvollen Zeiten bemüht, ihren Lesern in einer ruhigen und sachlichen Berichterstattung ein Bild der Zeit zu geben. Daß sie sich oft schweren Herzens dieser neutralen Berichterstattung: befleißigt hat, wird auch ihr Gegner anerkennen müssen, wenn er ihre Jahrgänge unbefangen durchblättert. Es war ihre Aufgabe, als Heimatblatt und amtl. Kreisblatt, sich der aktiven Politik zu enthalten. Man könnte ihr einen Vorwurf machen, wenn sie von sich aus in politischen Leitartikeln eine politische Beeinflussung ihrer Leser angestrebt hätte. Daß sie es nicht getan hat, ist in ihren Jahrgängen nachzuprüfen. Ein Heimatblatt konnte keine politische Zeitung sei –  schon deshalb nicht, weil ihr begrenzter Verbreitungsbezirk ihre Lebensfähigkeit in Frage stellen mußte, wenn sie um einer politischen Einstellung willen nur einen Teil der Bewohnerschaft erreichte. Als Heimatblatt mußte sie eben allen Bewohnern des Kreises zu dienen sich bemühen und mußte auf eine politische Stellungnahme verzichten. Wer ihr das übelgenommen hat, der weiß gewiß nicht, wie schwer in bewegten Zeiten eine politische Neutralität zu halten ist. und der weiß auch nicht, wie sorgenvoll in solchen Zeiten das Werk der Zeitungsleute ist. Diese gerechte Beurteilung ihrer Lage darf eine alte Zeitung sicher auch von den Vertretern einer auf neuen Grundlagen aufgebauten Presse erwarten. Durch den genialen und starken Zugriff des Führers sind die Parteien fortgefegt. Vom Parteienstaat – wir sagen es auch in dieser Stunde ohne Bitterkeit, sondern aus Respekt vor der geschichtlichen Wahrheit — hat nicht nur die vergangene Presse gelebt, sie ist auch daran gestorben! Aber die neue Presse, die durch des Führers Sieg in die glückliche Lage gekommen ist, von einem politischen Willen ideell und materiell getragen zu werden, wird diese Lage, die wir hier andeuten, verstehen und gerecht beurteilen. Soweit unser politischer Rechenschaftsbericht.

Was wäre sonst noch zu sagen? Wer einmal Waldbröler Geschichte lesen will, wer sie wohl gar einmal schreiben will, der wird an den fast 90 Bänden der Waldbröler Zeitung nicht vorübergehen können. Wer sie vielleicht dann und wann gering schätzte, wird erstaunt sein, was sie alles bergen. Wo anders spiegelt sich das Volkstum im Waldbröler Lande trefflicher ab, als in dieser fast 100jährigen Zeitung! Hat sie nicht berichtet von Geschichte, Sitten und Gebräuchen  [……]

Sie hat ein gutes Stück Waldbröler Geschichte in ihren Blättern festgehalten und Freude und Leid mit ganzen Geschlechtern des Waldbröler Landes geteilt Das werden auch ihre Gegner anerkennen, und ihre Freunde werden sich dessen dankbar erinnern.

 

SCHRIFTLEITUNG U. VERLAG DER WALDBRÖLER ZEITUNG.1'