Arbeitswelten - gestern und heute

Eng mit dem Naturraum war lange die Entwicklung der Arbeitswelt in der eigenen Kommune verbunden, wobei der neuerliche Wandel von einer agrarisch bestimmten Vergangenheit in eine gewerblich aktive Region  mit hohem Anteil des Mittelstandes schnell  ins Auge fällt. Der deutschlandweite Wandel von der Agrar - bzw. Industriegesellschaft in eine Dienstleistungsgesellschaft hat auch lokal sein zeitgemäßes Gegenstück. Die Existenz eines seit mehreren Jahrzehnten sich entwickelnden Gewerbegebietes in Randlage der Stadt ist dafür ein augenfälliger Indikator.

 

Aber tun wir  zunächst einen Blick auf die historische Entwicklung der letzten Jahrhunderte.[1]. Für den Südkreis hatte die Landwirtschaft bis in die zweite Hälfte des 20. Jhs eine Art Pilotfunktion. Ihr im Besonderen galt  die Aufmerksamkeit. Die zugehörige Tätigkeit war die des Bauern bzw. Landwirts, bis zu Beginn des 20.Jhs als Ackerer verstanden und bezeichnet. Dass es sich in der Mehrzahl seit Aufkommen der Industrie um Nebenerwerbslandwirte handelte, weist auf die Probleme des Naturraums und der dort betriebenen Landwirtschaft hin. Solange die Industrie fehlte, boten einige Jahrzehnte lang seit dem ausgehenden 18.Jh bis in die Mitte des folgenden Jahrhunderts Abwanderung und Binnenwanderung eine prekäre Perspektive. Lange dauerte es, bis sich im späten 19.Jh  die veralteten Anbaumethoden änderten und die Landwirtschaft sich modernisierte. Auf die Armut des Bodens und ihrer Menschen in einem wie anderswo im Rheinland von der fränkischen Realteilung beherrschten Lebensraum samt den Folgen wurde früh hingewiesen. Dass gegen Ende des 20.Jhs der Anteil der Landwirtschaft Schritt um Schritt zurückging und die Dörfer sich auf andere Art nun  um ihre Zukunft sorgen müssen, markiert den seitdem beobachtbaren, von außen angestoßenen Wandel.

Waldbröl als Stadt und die Außenortschaften haben dabei lange eine unterschiedliche Entwicklung genommen. Nicht nur, weil die für das Bergische früh wichtige Industrialisierung, die auch weiter nördlich im Oberbergischen stattfand, zur Bröl und Sieg hin weitgehend fehlte. Bergbau und Steinindustrie, Mühlengewerbe und Transport (mit Fuhrleuten und Kneipen) boten Jahrzehnte lang lokal begrenzte zusätzliche  Arbeitsmöglichkeiten. Die Tatsache, dass ab 1808/09 das „Dorf“ Kantonsmittelpunkt und später ab 1816 Kreisort (bis 1932 ) war, gab der späteren Stadt (mit Stadtrechten erst ab 1957) ein Gepräge, dass durch die Anwesenheit von Behörden und Verwaltungen bestimmt war. Nur wenige Landwirte lebten im Ort selbst. Handwerker und Händler der verschiedensten Art ggf. mit den dazugehörigen zunächst kleinen Läden gaben  dem Ort sein Gesicht. Dazu gehörte auch der Viehhandel. Eigene Funktionsbauten fehlten lange im Ortsbild. Nicht unbedingt dem Grundbedarf zugeordnete  Dienstleistungsangebote (Fuhrleute, Hauderer, Näherin, Uhrmacher, Buchbinder , Kunstgärtner, Elektriker, Fotograf,  Modistin ) garnierten das zentrale Handwerks- und Dienstleistungsangebot. Über das spärliche industrielle Angebot und die wenigen im ersten Jahrzehnt des 20.Jh. vorhandenen Betriebe unterrichtet u.a. die Ortsgeschichte von O. Budde.[2]

In einem Adressbuch vom Anfang des vorigen Jahrhunderts (1911) sind die anfangs des Jhs. ausgeübten Berufe vermerkt. Während nur 25 Angaben von ca. 350 insgesamt berufstätige Frauen betreffen,  sind die weithin meisten  Angaben wie selbstverständlich  Männerberufen oder -positionen zugeordnet. Auffällt 1911 die große Zahl von Schneidern (10), Maurern und Pflasterern (8) , Bäckern (7)  und Zimmerleuten, aber auch Kaufleuten (16), während andere Berufsangaben nur spärlich vertreten sind. Dies sagt nichts über ihre Bedeutung aus. Die Spitzenstellungen Anstaltsdirektor, Landrat bis Bürgermeister, Pfarrer, Schul -und Sparkassendirektor kommen wie überall nur in einfacher Besetzung vor.

 Dass entsprechend der Mittelpunktsfunktion des Ortes die den Erwerbsmöglichkeiten Post, Viehmarkt, Schulen (Volksschulen, Rektoratschule, Winterschule), Verkehr und Bahn, Medizin,  Lederindustrie sowie die den Kreisbehörden  zugehörigen Einrichtungen und Ämter  sich mit entsprechenden Berufen darstellen, ergibt eine Struktur, die über den Verlust der Kreisortfunktion (1932)  hinaus bis in die Zeit nach dem  2.Weltkrieg erhalten bleibt.  Der Kommunikation im Innern und nach draußen (Bahn und Post) zugeordnete Beschäftigungen, treten mehr und mehr in Erscheinung. An die Stelle der Jahrhunderte hindurch  vorherrschenden Holzgeräte und Werkzeuge bestimmt mehr und mehr industriell gefertigtes und bald auch elektrisch betriebenes Werkzeug die Arbeitswelt. Elektrizität zieht ab den 20er Jahren in Häuser und Betriebe ein.  Dass die politischen Veränderungen nach 1933 bis zum sog. Zusammenbruch weitere Ämter und Einrichtungen brachten und vorhandene Einrichtungen sich veränderten, ist hier nur am Rand vermerkt. Dahinter steht bei genauerem Hinsehen eine bewegte Entwicklung.

Die beinahe 70 Außenorte und Höfe waren  gegenüber dem Mittelpunktsort lange Zeit landwirtschaftlich bestimmt und ihre Gegebenheiten wirkten über die Verwaltung und Vereine stark auf Entwicklung und Selbstverständnis der Kommune. Das änderte sich erst mit dem Einzug des Maschinenwesens in die Landwirtschaft, mit dem Einfluss der Europäischen Agrargesetzgebung und den neuen Notwendigkeiten betreffend die Größe wirtschaftlich lebensfähiger Betriebe. Kleine und mittlere Betriebe verschwanden, freie Flächen wurden verpachtet, umfunktioniert  oder blieben ungenutzt. Die parallel verlaufende Änderung des Konsumverhaltens, der Einzug der Supermärkte, das neue Freizeitverhalten mit den dazugehörigen Mobilitätsansprüchen, die fortschreitende Technisierung aller Lebensbereiche stellten die Frage nach den neuen Berufen und verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten für breite Schichten der Bevölkerung in immer schnellerem Rhythmus.[3] Das Verschwinden der industriellen und Anlernberufe und der sich ändernde tertiäre Sektor (Geschäftsschließungen und -fluktuation , vgl. auch den konstanten Auspendlerüberschuss. an  z.T weit entfernte Arbeitsplätze) bestimmen trotz des immer noch positiven Bevölkerungssaldos zusammen mit dem dramatischen Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion das Bild. Bildung und Ausbildung kommt eine immer größere Bedeutung zu. Der Erwerb von Fremdsprachenkenntnissen, Computerkenntnissen  und die Bereitschaft zur Mobilität wurden zentral. Eine Schulstadt, Marktstadt und gewerblich aktive Stadt zu sein mehr noch als ein Ort der Behörden wurde ein Markenzeichen, das den Verlust anderer zentraler Einrichtungen aus früherer Zeit wie Agraramt, Finanzamt, Forstamt und Katasteramt beinah wettmachte.

 

[1] Dazu u.a.: Padberg, Beate Carola, Die Wirtschaftsgeschichte des  Oberbergischen Kreises . Ein Lesebuch zur Regionalgeschichte , Köln 2000 mit einem Kapitel „Die Region Waldbröl“ (S. 68ff.) und historischer  Darstellung einzelner Wirrtschaftsbereiche.

[2] Budde, Otto Waldbröl wie es wurde ,was es ist 1981, S. 266

[3] Genauere Auskünfte über die aktuelle Situation in vielen Bereichen bietet das im Internet einzusehende Kommunalprofil unter http://www.it.nrw.de/kommunalprofil/l05374044.pdf,