Steinwelten - ein Ausflug in die Baugeschichte

 

 

Auf einem Rundgang durch den Ort ergeben sich reichlich Schnittmengen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Eine unausgesprochene Einladung gilt allen, die in Fassaden, Türen, Fenstern, Häuserfluchten mehr als nur Zufälliges sehen. In ihnen spiegelt sich das Werden des Ortes, solange sich Spuren des Gestern hier und dort erhalten haben und sei es in moderner Überformung. Und es ist zugleich Fingerzeig in die Zukunft. Beinahe täglich verschwindet Altes. Nicht immer gelungenes Neues überrascht das Auge. Ein Bilderbogen wie der vorliegende, aus gegenwärtigen und älteren Fotografien und Ausschnitten von Dokumenten versuchsweise zusammengestellt, dokumentiert diesen Wandel. Er lädt den Betrachter ein, auf die immer noch vorhandenen Schichten einer Entwicklung zu achten, die sich unentwegt bis in die Gegenwart fortsetzen. Manches ist nur mehr auf alten Fotos gegenwärtig und nicht mehr vorhanden. Für den Uneingeweihten wird es schnell zum Rätsel. Auch das einst nur Geplante in Entwürfen und Zeichnungen ergäbe ein eigenes Blatt.

Die Zeugnisse und Bildzeugnisse des Vergangenen, Verschwundenen und Überbauten gehören selbstverständlich zur Baugeschichte des Ortes. Sie führen zu der Frage: Was verschwand endgültig, was überlebte in der einen oder anderen Form? Zögernd hinzugesetzt: wann tat es das jeweils und warum von Fall zu Fall? So betrachtet, gewinnen Städte und Siedlungen, gleich ob groß oder klein, jenseits aller Notwendigkeit der Gegenwart die volle Tiefe der Anschauung, die sie neben allem anderen als Stadtgeschichte und Siedlungsgeschichte bestimmt.

 

Statt eines Kommentars zu jedem Bild, der dem Betrachter überlassen bleibt, hier zunächst eine grobe geschichtliche Sichtung der Bildergruppen in zeitlicher Reihenfolge. Der Betrachter ist jederzeit eingeladen, das Vorhandene für sich zu ergänzen. Hier nur ein erster Wegweiser in die Geschichte. Gleich ob auf den Dörfern oder im älteren Stadtkern, man stößt verbreitet immer noch auf Überbleibsel heimischer Baukultur:

 

Lehmfachwerk (a) war im Bergischen in den Orten gleich ob in den Höfen oder in den Kirchspielorten seit frühesten Zeiten, sprich der frühen Neuzeit, vorherrschend. Verbunden mit Stroh- und später grauen Schiefer- und Pfannendächern, was aus der Ferne einen eher dunklen Anblick der Dachlandschaft ergab. Manche dieser Häuser mögen inzwischen verputzt, viele einst zum Schutz gegen die Witterung einst an der Wetterseite verbrettert und heute ganz oder teilweise verschiefert sein, (auch Blechverkleidungen tauchten hier und da auf) Fachwerk prägte einst das Aussehen von Stadt und. Dass in den wohlhabenden Städten des Bergischen grüne Schlagläden, elegantes Fensterwerk und Treppenaufgänge neben Türen im sog. bergisch-barocken Stil hinzukamen, was stolze Bürgerhäuser ergab, hat in den ärmeren Gegenden des südlichen Bergischen wenig Spuren hinterlassen. Fabrikantenvillen waren hier eher selten. Nicht verwunderlich ist, dass in bestimmten Jahren, als es um die ideologisch bewusste Stärkung des Heimatgedankens ging, das Bauen mit Fachwerk (s. Rottland) richtungweisend war.

 

Die Zahl der Steinbauten daneben war gering. Feste Häuser aus Bruchsteinen (b) waren seit dem Mittelalter Wehrbauten (hierzulande oft „Burgen“ genannt) und Kirchen sowie Pfarrhäusern vorbehalten. In der zweiten Hälfte des 19.Jhs kamen die in zentralen Außenorten entstehenden Volksschulbauten hinzu. Sie verdrängten die in Eigenregie der Honschaften entwickelten primitiven Heckschulen auf den Höfen und gaben allein durch ihr Material der Präsenz des preußischen Staates und seinem schulpolitischem Wollen Ausdruck.Während  die in den 70er Jahren entstandenen Schulen durchweg in Bruchsteinbauten untergebracht waren, kamen ab etwa 1880 schieferverkleidete Bauten in Mode.(Schönenbach 1885, Wehn 1903 bis Escherhof 1910 und Wiedenhof 1910/11) 

Als ortsnah die ersten Ziegeleien um die Wende des 19. zum 20. Jh entstanden, (eine erste Ringofenziegelei 1890 auf dem Boxberg, die 1919 zur Firma Cronrath wurde), tauchten zwischen den Fachwerkhäusern, Bruchsteinbauten und den verschieferten Bürgerhäusern die ersten Ziegelsteinbauten (c) in einfacher oder mit Schmuckelementen versehenen Ausführung auf. An städtische Modelle und Zierformen sich anlehnende anspruchsvollere Bebauung ergänzte den Wandel. Er löste  vor dem ersten Weltkrieg eine noch heute erkennbare Gegenbewegung aus, die sich vor allem den technischen Elementen (Reklameschilder, Stromleitungen usw) sowie anderen Übernahmen aus den Städten entgegenstellte. Hier und da entstandener Wohlstand prägte zunehmend das Aussehen des Ortes.

Heimatnahes Bauen (d) als Bewegung zu Beginn des 19.Jhs versuchte, regional verträgliche und vorbildhafte Modelle für Eigenheim, Reihenhäuser, Siedlungen und Funktionsbauten zu entwerfen. Entstehender Wohnungsnot und Fürsorge für Funktionsträger verdankten sich geschlossene Häusergruppen oder Reihenhauslösungen (e). Fabrikanten und wohlhabende Bürger schufen sich in villenartigen Wohnbauten (f) ihre eigenen Lösungen. Bauhauseinflüsse prägten vor allem die Funktionsbauten. So veränderte sich wachsend mit der Zeit und sich den Erfindungen und Erfordernissen anpassend die Gestaltung des Ortes bis in die Gegenwart (g). Immer wieder neben architektonischen auch finanzielle Überlegungen spiegelnd. Nebeneinander (h) entstand an immer mehr Stellen erhaltenes altes und nachwachsendes modernes Bauen, wobei die Mischung von Altem und Neuem immer mehr zugunsten des Neuen ausfiel. Bis in die Gegenwart setzen neue Trends (i) dies fort und gibt zu mancherlei gestalterischen Überlegungen Anlass.