Waldbröl vor 100 Jahren

 

Betrachtet man das Ortsbild in dem Jahrzehnt vor dem ersten Weltkrieg, so trifft darauf die Beschreibung zu, die Otto Budde in seinem Waldbrölbuch in folgende Worte kleidete: "Das Dorf Waldbröl änderte in den Jahren des Jahrhundertwechsels völlig sein Gesicht. Das alte Dorf, dessen enge Grenzen wir noch aus der Mitte des 19.Jh kennen, hatte sich gereckt und gestreckt und dabei seine Grenzen gesprengt." (S. 230)

Das begann schon vor der Jahrhundertwende mit dem Bau der großen Heil- und Pflegeanstalt ortsauswärts in Richtung Boxberg, und noch davor mit dem prächtigen neuen Kreishaus (1897) gegenüber der ebenfalls neuen Landratswohnung, Bauten also, welche alle eine Streckung in der Längsachse der Hauptstraße mit sich brachten, obwohl sie eher noch in ihrer Gesamtheit wie eine großzügige radiale Randbebauung mit viel Zwischenräumen dastehen und damit eine Idee von der zukünftigen Gestalt des Ortes vorgaben.

 

Otto Budde verweist auf die neuen Straßen zum Boxberg, damals wie der Kalkberg oder Brenzingen ebenfalls noch Außenortschaft, auf die Brölstraße und Schladerner Straße als Ausfallstraßen, auf die gewerblichen Aktivitäten rund um die Endstation des Brölbähnchens, auf die damals neueren Bauten auch an der Schladerner Straße. Zu alledem kam nun wie eine Tangente an den Kreisort die Bahnlinie als Versprechen einer funktionierenden Verbindung nach draußen. Dazu gehörte der Bahnhof von 1906 (Bauende 1909). Damit zugleich das Versprechen, wie einst der Straßenbau es tat, Handel und Wandel des Markt- und Kreisortes zu beschleunigen und zu befördern. Es mag scheinen, als sei hier ein erstes Mal in der Ortsgeschichte weit vor den späteren utopisch gebliebenen Entwürfen des 3. Reiches mit ihrem noch weiter gefassten Radius stadtplanerische Phantasie am Werk gewesen.

 

Weit oberhalb auf der Südseite standen seit kurzem der Aussichtsturm am neuen Standort massiv gebaut (1903), auf der gegenüberliegenden Nordseite in vergleichbarer Entfernung seit 1874 das Kriegerdenkmal und beide schauten von oben ins Tal und in den Ort hinab. Dort gab es mit der 1884 entstandenen Villa des Dr. Venn, dem Haus Waldesruh an der Bitze, dem Kaiserlichen Postamt nahe dem Brölbahnhof und den Schornsteinen der Gerbereien locker verteilt eine Reihe für das Auge interessanter neuer Anziehungspunkte. Im Wiedenhofkomplex entstand mit dem ev. Gemeindehaus ein weiterer neuer Bau , der noch im gleichen Jahr 1905 fertig gestellt werden sollte.