Fragt man, wie der Ort zur damaligen Zeit beschaffen war, so ist man angesichts spärlicher Quellen versucht, den bei Otto Budde in seinen beiden Büchern aufgrund früher Katasterunterlagen erstellten und in das Jahr des Wiener Kongresses zurück datierten Häuserplan heranzuziehen samt den dort ausgewerteten Personen- und Berufsangaben. (vgl Budde, Das Dorf der Väter. S.25)

Auffällt im Ortsbild, dass es jenseits der Bröl und an den Ausgangsstraßen noch keine Häuser gab. Die Straßenzüge entsprechen den heutigen nur grob. Eine größere Zahl von Weihern fällt ins Auge und erinnert an die ständig vorhandene Brandgefahr. Der Ort umfasste im Wesentlichen das sog. Unterdorf mit seinem Kern rund um die Kirchen. Später eingemeindete Vororte (etwa Kalkberg, Boxberg Brenzingen, Isengarten) waren noch selbständig und vom Hauptort getrennt. Die Behörden verfügten noch nicht über herausragende Funktionsbauten. Es gab eine Schule, zwei Kirchen, zwei Pfarrhäuser, mehrere Kaufleute, die wichtigsten ländlichen Gewerbe und Einkaufsmöglichkeiten für einfachen täglichen Bedarf. Ferner einen Kreisarzt und eine Apotheke. Daneben die Behördenspitzen des Landkreises, Amtsdiener, einen Gendarm, einen Polizeidiener, einen Nachtwächter. Die Verkehrsinfrastruktur war trotz der zahlreichen Fuhrleute und Fuhrmannsgaststätten wenig entwickelt.

Landrat und Bürgermeister wohnten nahe beieinander im heutigen Altstadtviertel und hatten nahe Bitze und Hahnenstraße einen scheinbar respektablen Hausbesitz.

Der Austausch zwischen den umliegenden Höfen und dem Kirchspielzentrum war intensiv, manche Familie hatte dort, auch aufgrund entstandener familiärer Beziehungen, Landbesitz. Umgekehrt ließ sich mancher Bewohner aus den Höfen mit einem Gewerbe irgendwann im Hauptort nieder. Eher klein ist die Zahl der Familien, die seit jenen Tagen in direkter Linie durch Nachkommen nachweisbar sind.

Informativ ist u.a. die Beschreibung der örtlichen Zustände, die der Kreisarzt Büren auf Anordnung der preußischen Verwaltung Anfang der 20 er Jahre verfasste. Sie verbindet mit den Gesundheitsdaten naheliegend Hinweise auf die Lebensweise der Bevölkerung.

 

Medizinische Topographie des Kreises Waldbröl. Verfasser Kreisarzt Dr. Johannes Ernst Büren , auf Anordnung der Kgl. Regierung wie auch andernorts in Preußen erstellt 1826

 

Der Kreisphysikus Dr. Büren entwirft darin ein Gesamtpanorama des Ortes und seiner Bevölkerung und berichtet über den Kreis, seine ländlichen Bewohner und deren Lebensweise. Er vermerkt u.a.: Es gebe im Kreis eine Bevölkerung von 16038 Personen, diese sei wohnhaft in 8 Kirchdörfern, 262 Weilern, 24 Höfen und 4 einzelnen Häusern. Die meisten Häuser bestünden aus Fachwerk und Lehm, selten seien es massive Häuser, obwohl es an Material dafür nicht fehle. Er erwähnt und beschreibt die niedrigen Zimmer- und Türhöhen und die geringe Zahl der Räume. Auch gebe es in den Räumen wegen der kleinen Fenster nur spärlich Licht für die nötigsten Beschäftigungen. Zum Lesen oder Schreiben seien die Räume ungeeignet. Die Aufteilung des Hauses kennt im Erdgeschoss den Hausflur mit dem Feuerherd, seitlich davon auf der einen Seite einen oder mehrere mit Holzböden versehene und getünchte Zimmer, auf der anderen Seite den Viehstall. Im ersten Stock befindet sich meist nur ein großer notdürftig ausgestatteter Raum zur Aufbewahrung der gedroschenen Frucht. Die Keller lägen i.a. unter dem Wohnzimmer und hätten ein steinernes Gewölbe. Der Misthaufen befinde sich neben dem Eingang, er werde oft auch als Toilette benutzt. Die Zahl der bewohnbaren Zimmer gehe selten über die zwei hinaus, die als Wohn- und Schlafraum dienen. Den größten Raum reserviere man für die Strau und das Viehfutter.

Die Bildung der Einwohnersei sei gering. Es gebe keine Literaten oder Schriftsteller, keine gelehrten Gesellschaften, keine wissenschaftlichen Sammlungen, nur Elementarschulen. Turn-, Reit, Tanz- und Schwimmschulen fehlten gänzlich. Kleine musikalische Gesellschaften fänden sich hier und da. Auch treffe man sich ab und an zu Tanz und Spiel in den Privathäusern. Durchfahrende Marionettenspieler und Musikanten unterhielten das Volk gelegentlich. Volksfeste gebe es außer den Kirchmessen und Jahrmärkten keine. Die meisten Leute hätten einen Garten zur Erholung. Konfessionell seien 1/3 Katholiken, 2/3 Protestanten- aber das ergebe, findet der Arzt zu seinem Erstaunen, trotz der geringen Bildung des Landvolkes keine Zunahme von Aberglauben und Vorurteilen. Auch Schwärmerei und Mystizismus fänden sich eher selten.