Vom Wandel der Gemeindegrenzen

 

 

Dass nicht immer, zumal an den Rändern der Kommunen, die Zugehörigkeit der Ortschaften zu einer Gemeinde gleich blieb, vermittelt ein Blick in die Geschichte. Ab dem 16. Jh. verschwanden mehr und mehr die bis dahin oft strittigen Grenzen und diffusen Nachbarschaften, gegen die Fürsten und Untertanen  sich mit gelegentlichen Umgängen („Landleitungen“ genannt), dem sog. „Augenschein“, mit Landmarken, Landwehren oder gar mit allerlei Einsprüchen  beim Reichskammergericht, mit Kartenzeichnungen u.ä. zu wehren suchten. Das Territorialdenken gegenüber dem Personenverbandsdenken hatte schon im späten Mittelalter einen Anlauf genommen und sich immer mehr ausgebreitet. Wenn es heute in der Gemeindeordnung des Landes NRW heißt: §16 , Abs. 2 : „ Jedes Grundstück soll zu einer Gemeinde gehören“ so dauerte es lange, bis es dahin kam. Bis ins Mittelalter waren auch aufgrund u.a. einer niedrigen Menschenzahl manche Landstriche unbesiedelt. Überall im Land gab es wegen Ungunst der Lage, mutwilliger Zerstörung usw. aufgegebene Siedlungsplätze, sog. Wüstungen. So befindet sich auf der sog. Mercatorkarte von 1575 in der Gemeinde ein heute verschwundener Ort Riemgarten und aus  jüngerer Zeit mag sich mancher noch an den verschwundenen Ort Kölschbach im Nutscheid erinnern, von dem  lange noch Mauerreste zu sehen waren. .

„Gemeinden“  im heutigen Sinn gab es erst seit dem Anfang des 19.Jhs . „Communes“ und Mairien (Bürgermeistereien) der napoleonischen Zeit gingen den hierzulande nach 1816 eingeführten preußischen Verwaltungseinheiten voraus. Sie ersetzten die anderem Denken verpflichteten Honnschaften, Kirchspielordnungen und Hörigkeiten der feudalen Zeit. Ab 1809 wurden die alten Honnschaften, zu denen auch lt .Aufstellung von 1809 Bladersbach und Geilenkausen gehörten, mit allen übrigen zusammen erstmals  „Gemeinden“ der Mairie Waldbröl unter  einer noch anderen Begrifflichkeit als später, als der Begriff „Gemeinde“ den der „Mairie“ ersetzte. Eine „Gemeindeordnung für die Rheinprovinz“ mit der Einsetzung  von „Gemeindeverordneten“ als ehrenamtlicher Helfer des Bürgermeisters folgte erst 1845 (23.7.1845) . Sie war ein Ersatz für die bis dahin im Rheinland erfolgreich verteidigte, Stadt und Land anders als in Preußen gleichsetzende und noch aus der Franzosenzeit stammende   „bergische Gemeindeordnung“ von  1807 (vgl Budde 1981, S.68 f.) 

Veränderungen jederzeit eingeschlossen. Es führt uns dies zu der interessanten Frage: Welche Orte gehörten „seit ewigen Zeiten“ zur „Gemeinde“, also  zum seit der Reformation vorwiegend evangelischen, vorher auch und später wiederum katholischen „Kirchspiel“ bzw. den örtlichen Honnschaften? Welche neuen Verwaltungsneuordnungen änderten wann die Grenzen? Gehörten etwa Orte wie Bladersbach und Geilenkausen, für die es schon eine Erstnennung in einem lateinischen Text von 1316 gibt[1], immer zu Waldbröl?

Dass Eiershagen oder Hasenbach oder Vordenklingen eine Weile zu Waldbröl gehörten, mögen ältere Einwohner noch wissen. Dass ehemals selbständige Orte wie Brenzingen und Kalkberg eingemeindet und zu Ortsteilen wurden, erinnern manche vielleicht  ebenfalls. Das namentliche Verschwinden ehemals selbständiger Weiler, sobald sie eingemeindet waren, ist ein überall zu beobachtender und namengeschichtlich zu bedauernder Vorgang, wenn diese Veränderung  auch mit Vereinfachungen einhergeht. 

Bei größeren Verwaltungsreformen gingen bis in jüngere Zeit auch ganze Ortschaften in andere Gemeinden, bzw. Gemeinden in andere Kreise über. So verlor der 1932 geschaffene „Kreis Oberberg“ , der anfangs „Agger-Wiehl-Kreis“ heißen sollte, die Gemeinden Rosbach und Dattenfeld und mit ihnen viele Orte im mittleren Siegtal an den Rhein-Siegkreis. Die Orte bekamen auf diese Weise  eine neue Anbindung und Ausrichtung. Der gesamte Süden des Bergischen erfuhr durch den Verlust von Teilen des alten bergischen Amtes Windeck eine Veränderung.

 

Welche Orte schon früh zur späteren Gemeinde Waldbröl gehörten, ist für die jüngere Zeit leicht den erhaltenen Karten mit eingezeichneten Gemeindegrenzen zu entnehmen. Sie reichen bis in die Anfänge des Katasters in der ersten Hälfte des 19.Jhs. Für die Zeit vorher ist man auf alte Urkunden angewiesen.

Die Verhältnisse an der Westgrenze der Gemeinde nördlich der Bröl werden durch die Grenzziehung von 1604 und die Grenzklärung zwischen der Reichsherrschaft Homburg und dem Herzogtum Berg ebenso wie durch die früheren  Landleitungsdokumente des 16.Jhs erkennbar[2]. Bröl gehört seitdem und bis heute nach Waldbröl, Niederbröl nach Nümbrecht. Das dazugehörige Dokument beschreibt den Grenzverlauf zwischen Grünenbach und Ziegenhardt beinahe so, wie er noch heute besteht.[3]  Wo die dazugehörigen Steine standen, zeigt grob die mit Nummern versehene mehrteilige Karte des Hzgt. Berg  von Wiebeking vom Ende des 18.Jhs.

Dass u.a. Bladersbach und Geilenkausen südlich der Bröl seit dem später Mittelalter dazu gehörten, könnte man dem lateinischen Dokument über die Teilung der Leute von Nümbrecht von 1316 entnehmen, Indes kamen beide Orte erst 1604 hinzu. [4]. Deutlich später treffen wir auf die von G. Corbach zitierte  Aufstellung von 1654 (S. 342) über die katholischen Leute, darunter solchen aus Bladersbach und Geilenkausen, die zum „Glockenschlag nach Waldbröl“ gehörten[5]. Dort kommen beide Orte  und viele andere des heutigen Gemeindebereichs vor. 

 

 

 

[2] Vgl. Corbach, Geschichte von Waldbröl 1973, S. 25 ff. Dass in den Wechselurkunden vor 1604 auch bergische Hörige in den ansonsten weitgehend  saynischen Ortschaften vorkamen, (vgl die Urkunde von 1508) überrascht nicht, da die Ortschaften vor 1604 noch mehrherrig waren.

[3] Wortlaut der Grenzurkunde, vgl Quellen und Materialien zur Oberbergischen Geschichte,  Heft 4 (2004) 

[4] In einer der beiden Abschriften  der Urkunde  „Teilung der Leute von Nümbrecht“,  welche  die beiden Ortschaften dem saynischen Miterben Engelbert zusprach, findet sich das als Nachbarort von Bladersbach genannte Geringkusen verbessert zu  Gelinkausen, was auf die Lage bezogen zweifellos die richtige Schreibweise war.. Falsch ist auch die Lesart in der Saynschen Chronik in der Übertragung Bd. 2 von 1936, wo die Textstelle als „Scrinhusin“ vorkommt. Zu Waldbröl kamen die beiden Honschaften durch den Verkauf  des Anteils von Heinrich IV. von Sayn im Jahr 1604 an die Berger („Siegburger Vergleich“) und die damit verbundene territoriale Neuordnung. Die neue Grenze zeigt die. Wayekarte von 1607. Die Teilungsurkunde von 1316 nennt übrigens  zahlreiche Orte in den Gemeinden  Much, Wiehl, Waldbröl  wie auch Nümbrecht zum ersten Mal und ist damit eine der wichtigsten Erstnennungsurkunden für Orte im südlichen Oberberg,.  vgl. auch Corbach, G.  Geschichte von Waldbröl, S.8

[5] Corbach, . a.a.O., S. 342