Ansprache des Abgesandten des Bergischen Geschichtsvereins, Elberfeld aus Anlass der Einweihung des ersten Zuccalmagliodenkmals am 25.4.1903, (publiziert in der WZ am 29.4.1903, entsprechend  der Niederschrift des örtlichen Stenographenvereins)

 

a)Situation und Anlass

Die vom Gemeinnützigen Verein (heute Verkehrs –und Verschönerungsverein) und dem damaligen Bürgermeister entwickelte Absicht, dem in Waldbröl geborenen Volksliedsammler und Schriftsteller Anton Wilhelm von Zuccalmaglio, Verfasser u.a. des Volkslieds „Kein schöner Land in dieser Zeit“ 30 Jahre nach seinem Tod ein Denkmal zu setzen, führte zu regen Briefwechseln bis ins Ausland, um über Spenden einzelner Persönlichkeiten (nicht der Bevölkerung!) zu den erforderlichen Mitteln zu kommen. Im April des Jahres 1903 konnte das fertige Werk dann an der vorgesehenen Stelle der Öffentlichkeit durch einen Abgesandten des Bergischen Geschichtsvereins, den jungen Rechtsreferendar Dr. Bredt aus Koblenz, übergeben werden. Ein erhaltenes Foto dokumentiert die Einweihung.

Die Ansprache, deren gepflegten Wortlaut im Stil der Hochsprache im Wesentlichen der folgende Auszug des Anfangs festhält, reklamiert den Geehrten als bedeutende Gestalt der bergischen Kultur und macht daher auch den Anwesenden vorweg die Rolle und Aufgabe des Bergischen  Geschichtsvereins  im Kontext des eingetretenen politischen Wandels und der lokalen Übergabe des Denkmals deutlich. Was die Bekanntheit des Geehrten angeht, dürften nicht zuletzt die Reisetätigkeit, der große Bekanntenkreis des Genannten und das Werk des in  der Ansprache nicht genannten jüngeren Bruder Vincenz mit seinen vielen, auch gemeinsamen Veröffentlichungen einen Beitrag geleistet haben.

Es folgen in der hier mitgeteilten ersten Hälfte der Rede die Begrüßung der erschienenen Familienmitglieder und die ausführliche Würdigung des durch das Denkmal Geehrten. Der ältere Zuccalmaglio, der sich als Privatgelehrter und Sammler vor allem in bergischen Landen über die Jahre einen Namen gemacht hat, wird in seiner Rolle und Bedeutung für das Bergische deutlich. Zusätzlich zum üblichen Ruhm bergischer Industrie geht es hier um die noch neue kaum bekannte kulturelle Bedeutung des Landes. Eine erste biographische Skizze war in der Waldbröler Zeitung schon 1859 erschienen. Von dem Bergischen als Wanderland ist damals noch nicht die Rede.  

 

b) Text

Hoch geehrte Festversammlung!

Der Bergische Geschichtsverein aus Elberfeld und Barmen entbietet heute den Bewohnern von Waldbröl, insbesondere dem Gemeinnützigen Verein sowie den Vertretern der Familie von Zuccalmaglio seinen Gruß! Es ist ein schöner Erfolg, ein erfreuliches Zeichen von Bürgersinn und Heimatliebe, dass wir uns heute zusammenfinden dürfen an dem Denkmal eines Mannes, der in unserer Heimat unter ihre besten und edelsten Söhne zählt. Es ist uns ein Beweis dafür, dass das bergische Land noch nicht aufgehört hat, seinen Platz in der Welt einzunehmen, und dass es auch heute noch ein Volk gibt, welche sich bewusst ist, dass es einen in sich geschlossenen und fest gefügtem Bestandteil unseres großen Vaterlandes bildet. Die Zeiten des Partikularismus sind vorbei, und wir freuen uns darüber. Es gibt keine politischen Herzogtümer Berg, Kleve und Westfalen mehr; der rote Löwe, das weiße Ross haben dem Adler das Feld geräumt; nicht mehr kämpfen sie gegeneinander, sondern friedlich behaupten sie nebeneinander ihren Platz im preußischen Wappen. Wenn wir uns deshalb heute noch bergische Bürger, unsere Heimat " bergisches Land" nennen, so müssen wir andere Pflichten und andere Rechte ins Auge fassen als unsere Vorfahren vor 100 Jahren. Nicht mehr dürfen wir selbstständige Politik treiben, nicht mehr sollten wir trachten, unserem Lande besondere Vorteile auf Kosten des Vaterlandes zuzuwenden; nein, unser Ziel ist ein anderes geworden. Heute gilt es, bergische Sitte und bergische Traditionen lebendig zu halten, vor allem aber, die Geschichte unserer Heimat zu pflegen und der Vergessenheit zu entreißen. Gerade weil wir heute im großen Vaterlande aufgehen, weil wir kein nach außen hin abgeschlossenes Volk und Land mehr bilden, gerade deshalb muss es unser Streben sein, wenigstens innerlich bergisch zu bleiben und uns bewusst zu sein, dass unser bergisches Volk einen einheitlichen Stamm und Baum in unserem großen deutschen Völkerwalde darstellt. Dieser Gedanke war es auch, der vor jetzt 40 Jahren einige gleich gesinnte Männer in Elberfeld zusammenführte, um einen Verein zu begründen, der unter dem Namen "Bergischer Geschichtsverein" die Aufgabe haben sollte, die Geschichte der Herzogtümer Berg und Jülich zu erforschen und zu veröffentlichen. Er hat mit dieser Arbeit einen Erfolg gehabt, wie ihn zu jener Zeit noch niemand ahnen konnte, und wie er schöner und größer nicht gedacht werden kann. In weiten Kreisen ist das Interesse für die Heimatgeschichte wach gerufen worden und von allen Seiten ist man bemüht, Bausteine zu dem großen Werke der bergischen Geschichte zusammenzutragen. Es ist aber auch gut und notwendig, dass überall fleißige Hände sich regen, da von  einer einzigen Stelle aus nicht genügend geschehen kann, um alle Punkte der bergischen Geschichte zu berücksichtigen. Mit ganz besonderer Freude hat der Bergische Geschichtsverein es daher begrüßt. daß auch hier, in der Gegend des bergischen Landes, die von dem Sitze des Geschichtsvereins am weitesten entfernt ist, derselbe Sinn, dasselbe Streben zu finden ist, und dass auch hier sich Männer zusammengefunden haben, die es als ihre Aufgabe betrachten, die idealen Erbgüter unserer Heimat zu pflegen. Uns alle kann heute das schöne Bewusstsein beseelen, dass ein einheitliches Band uns bergische  Bürger umschlingt und dass von jenen Schwesterstädten an der Wupper bis hierher nach Waldbröl das Gefühl der Zusammengehörigkeit herrscht. Nehmen Sie dafür den herzlichsten Dank seitens des Bergischen Geschichtsvereins, alle, die Sie mitgearbeitet haben am Bau dieses Denkmals, vor allem aber sei dem Gemeinnützigen Verein und seinem Vorsitzenden, Herrn Landrat Springorum, der herzlichsten Dank gezollt für sein Bemühen um das Zustandekommen des Werkes.

Eine große Freude ist es auch, dass wir so viele Vertreter der Familie von Zuccalmaglio hier begrüßen dürfen. Wir hoffen dass dieselben das schöne Bewusstsein von hier mitnehmen, dass ihr großer Verwandter Anton Wilhelm noch einen festen Platz behauptet in den Herzen des bergischen Volkes. Wilhelm von Waldbröl hat es auch wahrlich verdient, geehrt zu werden. Er war ein Mann in des Wortes  bester, edelster Bedeutung, der seine Kraft, sein Wissen und sein Können in den Dienst seiner Mitmenschen stellte, und der ein Leben voll unermüdlichen Schaffens seinem Volke und vor allem den Bewohner seiner Heimat gewidmet hat. Mit seinem eminenten Wissen verband er eine große dichterische Begabung, die unsere deutsche Poesie um viele köstliche Perlen bereichert hat. In seinen Sammlungen von Volksliedern suchte und fand er die tiefe, innere Seele seines Volkes und lernte den Charakter, das Denken und Fühlen vergangener Jahrhunderte kennen. Als Dichter von Dramen und epischen Gesängen gab er seiner Vaterlandsliebe und seiner hohen Auffassung von politischen Dingen Ausdruck. Dem Parteigetriebe, dem Hader widerstreitenden Interessen und Begehren blieb er fern. Er hat nie in einem Parlamente von seiner bedeutenden Rednergabe Gebrauch gemacht, um einer bestimmten Parteirichtung zum Siege zu verhelfen; und wenn er auch mit seiner Meinung nie zurückgehalten hat und seinen Einfluss des öfteren in die Waagschale warf, so war es doch stets ein höherer Gedanke, ein edleres Streben, das ihn leitete, als wie Partei- und Eigenliebe. Wie wenig er bei Verfolgung öffentlicher Interessen an sich selbst dachte, das zeigte sich bei seinen mannigfachen Rechtshändeln, die er im Namen von Unterdrückten gegen ungetreue Beamte führte und bei welchen er sich nicht einmal seine Auslagen ersetzen ließ. […].

 

Eine Passage aus dem zweiten Teil verdeutlicht die Bedeutung des Geehrten für die bergische Provinz:

…wenn in fernen Gegenden von unserer Heimat gesprochen wird, so rühmt man nicht die Schönheit unserer Berge, unserer Wälder und Täler mit schäumenden Bächen, nicht nennt man unsere Burgen auf den Höhen , den bergischen Dom an den Ufern der Dhünn, sondern man redet von der bergischen Industrie. Umso  mehr wollen wir uns freuen, dass es in unserer Heimat nie an Männern gefehlt hat, die inmitten des gewerblichen Betriebes die Ideale hochgehalten und unser Volk mit mancherlei Gaben beschenkt haben, die einen  unvergänglichen Schatz im Leben unseres Volkes darstellen. Sie sind es,  denen unser Land den Namen verdankt : Singende , klingende Berge. – Ein solcher Mann ist es auch dessen Andenken hier durch Stein und Erz geehrt worden ...[...]