Naturräume

 

Bucklige Welten. Naturräume als Kulturräume

 

a)     Die heutige Gemeinde Waldbröl –in genordeter Skizze [1] hier dargestellt mit ca. ¼ ihrer 64 Außenorte – wird durchzogen von einer naturräumlichen Grenze in typisch nordöstlich-südwestlichem Verlauf. Sie trennt das Bergland südlich des Waldbrölbaches von den Höhen, die nach Norden hin dem Wiehler Bergland zugehören. "Außerhalb der Ortschaften" heißt ein fotografischer Beitrag in den Bilderwelten, der diese Vielfalt in Ausschnitten darstellt.

 

Südlich dieser Markierung hat sie überwiegend Teil am stark zertalten Morsbacher Bergland/ auch nördl. Mittelsiegbergland genannt, (vgl. die Mäander der mittleren Sieg zwischen Dattenfeld und Rosbach) sowie, westlich davon, den Ausläufern des Nutscheidkamms, der langgestreckt das Tal des Waldbrölbaches ab Hennef/ Allner etwa 30 km begleitet. So besteht das Gebiet naturräumlich aus drei und, nimmt man die Senke des Brölbachs hinzu, aus vier Räumen, die hier aufeinander treffen. Nördlich der Trennlinie ist das Relief ruhiger und weniger waldreich, obwohl auch hier die Hügel und leicht gewellten Erhebungen zwischen 200 und 400 m das wellige Landschaftsbild bestimmen. Deutlich erkennbar auf Gemeindekarten ist die ausfransende Besiedlung in die Waldflächen im Nutscheid hinein.

 

Ergeben sich von dessen Kamm und mehr noch von den im Zug der Besiedlung  waldfrei gewordenen Höhen des Mittelsiegberglands zahlreich Blicke bis an den Horizont des Westerwaldes, so bleibt die Sicht nördlich der Trennlinie eher auf die naheliegenden Kuppen und Täler und ihr wechselvolles Bild begrenzt. Die Sicht reicht hier und da an günstigen Tagen bis zu den Kuppen des Siebengebirges und nach Süden hin zum Rand des Westerwaldes. Fernsicht ergibt sich vor allem von dem Plateau auf dem Kamm des Nutscheids, das als großer blauer Punkt auf unserer Karte das sog. Hohe Wäldchen (370 m) an der Grenzen zum Siegkreis markiert. Von hier ergibt sich ein weiter Blick nach Süden. Noch höher liegt am südl. Stadtrand die Erhebung der „ Freiheit“ (einst Friescheidt). Sie stellt den höchsten Punkt des Kamms (398,5 m) dar. Von hier geht der Blick vor allem nach Norden und in die Quellmulde des Waldbrölbaches. Von der nahen, die Waldbröler Mulde im Süden begrenzenden Ortslage „An der Kirchenhecke“ bietet sich ein balkonartiger Ausblick in das Ortszentrum und darüber hinweg ins Wiehler Bergland. Zusammen mit dem Stungsberg südlich Wilkenroth (369,5 m) sind dies zugleich die drei höchsten Kuppen unserer Skizze. Weitere in kleinerer Darstellung sind ohne Höhenangabe.

Die Höhenstraße ausgangs Waldbröl ins Siegerland, im Ortsgebrauch „Stippe“ genannt, die den Nutscheidkamm fortsetzt, bietet ebenso weiten Blick nach Norden und Süden.

 

b) Blickt man auf die Gemeindegrenzen der Karte, ergibt sich schnell die Frage nach der Ursache für ihren rundum unregelmäßigen Verlauf. Sie verdanken sich hier wie bei anderen Gemeinden den historisch entstandenen Grenzen im Bereich der Territorien, Kirchspiele und Ortschaften früherer Tage und markieren weitgehend auch die Parzellen- und steuerlichen Grenzen, die sich im Verwaltungsgeschehen ergaben. An einer Waldecke westlich von Bröl (grüner Punkt) erinnert die Replik eines Grenzsteins von 1605 an die im Jahr davor ausgehandelte Grenze zwischen dem Herzogtum Berg und der Reichsherrschaft Homburg, deren Verlauf sich in weiten Teilen heute noch in der westlichen Gemeindegrenze spiegelt. Während Niederbröl in die Nachbargemeinde Nümbrecht gehört, gehört Bröl, ehedem Oberbröl genannt, nach Waldbröl.

Dabei ist die Zuordnung der Ortschaften an den Grenzen zu den Nachbarkommunen hin nicht immer die gleiche geblieben. Orte wurden hinzugewonnen oder abgegeben, damit änderten sich auch der Grenzverlauf und Zuständigkeitsbereich der Gemeinde. Neuerliche Umlegung und Zusammenlegung des vormals privaten und sich durch die fränkische Teilung immer wieder verändernden Streubesitzes so wie Tausch und Arrondierung in den Zeiten davor änderten die Besitzstände an Ackerland, Holzungen und Weiden.

 

c) Hier zeigt sich zugleich, dass der sog. Naturraum mindestens seit dem Beginn der Besiedlung im Mittelalter und auch vor dem Entstehen moderner Kulturämter immer zugleich ein Kulturraum war. Das reicht bis in die sich laufend verändernden Bestände von Flora und Fauna. Die verschiedene Nutzung der Waldflächen, die schon früh in den Territorien der Renaissance nach dem Willen des Souveräns in Holzordnungen eine verbindliche Regelung suchte, die der Landwirtschaft zugrundeliegende Geschichte der Besitzverhältnisse, die Techniken der Bearbeitung und Bewirtschaftung und der Umgang mit den Ressourcen des Bodens belegen einen durch die Jahrhunderte gehenden Zusammenhang bis in die Gegenwart. Im Querschnitt und Längsschnitt als Bestand und Geschichte erfasst ist er nur unvollkommen.

 

d) Das Oberbergische als bucklige Welt war natur- und kulturräumlich nie ein einheitlicher Raum. An Bekundungen der vorwiegend landwirtschaftlichen Prägung und Bestimmung des oberbergischen Südens bis in die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg hat es nicht gefehlt. Das gilt auch für die Gemeinde Waldbröl. Deutlich noch erkennbar in der umfangreichen Darstellung „Waldbröl- wie es wurde, was es ist,“ von 1981 (s. Literaturliste). Die industrielle Bestimmung wurde seit dem späten 19.Jh. eher der Aggerschiene und dem Norden des Oberbergischen zugeordnet, die Landwirtschaft dem Süden. Von Seiten der Landräte des ehemaligen Kreises Waldbröl, aber auch aus den Reihen späterer Entscheidungsträger, Bürgermeister und Gemeinderäte gab es gehäuft Bekenntnisse und Taten zur Entwicklung und Förderung der Landwirtschaft, auch wo diese naturräumlich, bedingt durch Relief, Bearbeitungstechniken, Betriebsgrößen, Klimata und Bodenqualitäten keinesfalls günstige Voraussetzungen vorfand. Mehr Schicksal als Potential bestimmte das Geschehen. Das galt vor allem für den Ackerbau und erklärt die optisch wahrnehmbaren Veränderungen, die in der zweiten Hälfte des 20.Jhs durch Wegfall von Getreideflächen und zunehmende Grünlandwirtschaft zustande kamen. Die europäischen Regelungen und die Anbindung an weltweite Entwicklungen haben hier noch einmal zu deutlichen Veränderungen geführt. Ein epochaler Umbruch in der europäischen Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20.Jhs hat dabei auch den oberbergischen Süden nachhaltig verändert.

 

e) Dass sich schon früher im 20. Jh. eine Hoffnung entwickelte, Vorteile im Tourismus und einen wirtschaftlichen Ausgleich in vermehrter Ansiedlung von Gewerbe und Industrie zu suchen, führte erst in der Gegenwart unter neuen Horizonten zu einem Miteinander und wird sich voraussichtlich in die Zukunft hinein längerfristig als Option bestätigen. Dass der Tourismus dabei die naturräumlichen ebenso wie die kulturräumlichen Gegebenheiten wahrnehmen und nutzen sollte, bedarf kaum einer Hervorhebung.

 



[1] Vgl. Karte von Brinkmann/Müller-Miny, Der Oberbergische Kreis 1965, Karte 10