Religiöse Vielfalt im südlichen Oberberg . Zwei Rundgänge

 

Ende Oktober des Jahres 2013 erschien im Kölner Stadtanzeiger ein Artikel unter dem Titel „Wuppertals religiöse Exoten“ mit einer Karte der Stadt, welche zeigte, wo überall bei einem Rundgang die Kirchen, Tempel und Versammlungsräume der Religionsgemeinschaften vor Ort zu finden sind.   Die dazugehörige Liste zeigte 18 Stationen, verteilt über das durchwanderte Stadtgebiet. Zusammen mit einem thematisch kundigen Theologen erkundete der Journalist die Szene der „Glaubenswelten“, die jemand ohne den Führer im Stadtgebiet so schnell kaum gefunden hätte. Ein religiöses „Biotop“, »deutschlandweit einmalig« nennt es der Begleiter, und der Journalist findet es reif für das Guiness-Buch der Rekorde. Rechts und links der Wupper tut es sich auf.

 

Würde man in Waldbröl und Umgebung nach Kirchen und „Sondergemeinschaften“, wie es dort heißt, in ähnlicher Weise suchen, man würde im südlichen Teil des Bergischen nicht unbedingt die gleiche hohe Zahl erreichen. Dennoch ergäbe sich ein kaum weniger ergiebiger Stadtrundgang und ein historisch interessantes Kapitel wartete auf seine Darstellung. Mehr als nur ein kurzes Kapitel Geschichte verbirgt sich dahinter.

Den Anfang mit einem Rundgang vergleichbarer Art machte jüngst in dem Informationsblatt der GmbH „Wir–für-Waldbröl“ unter dem Titel „Ein Glaube-viele Wege“ eine Übersicht, ausschließlich auf das christliche Spektrum bezogen. Außer den beiden christlichen Kirchen fanden die Neuapostolische Gemeinde, die Baptisten, Mennoniten, die freiev. Gemeinde, die Brüdergemeinde und die sog. Mosaikkirche Erwähnung. Dass es in Waldbröl weitere Religionsgemeinschaften gibt, wie die mohammedanische Gemeinde oder das Europäische Zentrum für angewandten Buddhismus (EIAB) mit einer großen Filiale blieb unerwähnt, ergänzt aber das Spektrum. Hätte man die Niederlassungen im übrigen Gemeindegebiet hinzugezählt, wären zu den genannten neun Gemeinschaften wahrscheinlich weitere in Außenorten hinzugekommen und eine beinahe ebenso interessante Vielfalt hätte sich ähnlich wie in Wuppertal ergeben. Dass sie sich neben den vorhandenen Verkehrskreiseln zu einem ökumenischen Kreisel zusammenfinden könnten, bleibt wohl Utopie. Die Frage nach den geschichtlichen Zusammenhängen stellt sich andererseits wie von selbst.

 

Geschichtliche Hintergründe

Außer den besonderen Entwicklungen, die in die jüngere Zeitgeschichte gehören, dem Zuzug von Flüchtlingen nach dem 2. Weltkrieg, außer der Arbeitsmigration seit den 60 er Jahren aus südeuropäischen Ländern und dem repatriierenden Zuzug aus deutschsprachigen Gebieten Russlands gibt es eine Reihe von historischen Faktoren, die erklären, warum gerade im Bergischen sich bereits seit dem 16. Jh eine bedeutende Glaubensvielfalt entwickelte.

Schon während der Reformationszeit kam es im Herzogtum Berg zu einem lebendigen Nebeneinander von katholischen, lutherischen und reformierten Bekenntnissen. Es wurde da, wo dieses Nebeneinander auf lokalem Hintergrund entstand, zunächst von Herzog Wilhelm V. geduldet. Erst in den letzten Jahren seiner Regierung und der fortschreitenden Krankheit geriet das Land stark unter den Einfluss der an seiner Statt regierenden Räte in Düsseldorf, Sie unterstützten dem kaiserlichen Wunsch entsprechend die katholischen Bestrebungen nach Vorherrschaft. Seit dem sog. Augsburger Religionsfrieden von 1555, der das lutherische Bekenntnis, nicht aber den Calvinismus einschloss, hätte nach der vereinbarten Religionsformel der Herzog den Glauben seiner Untertanen dann allein bestimmen können. Es blieb jedoch nach dem 30 jährigen Krieg und am Ende des jülich-klevischen Erbfolgekrieges bei der Zugehörigkeit, die sich aus dem Stichjahr 1624 ergab.

Hinzukam die unterschiedliche Entwicklung im hiesigen territorialen Grenzgebiet, wo sich in Nümbrecht 1605 ein reformiertes Bekenntnis entsprechend dem Religionswechsel der Berleburger Fürsten durchsetzte, im territorial geteilten Morsbach ein saynisch-evangelisches Bekenntnis im westlichen Teil um Holpe behauptete während im angrenzenden sog. Eigen von Morsbach die katholische Kirche ihre alten Rechte behielt. Es beeinflusst die religiöse Zugehörigkeit im christlichen Raum bis heute. Waldbröl, eine alte Zehntfiliale des Bonner Cassius und Florentius Stiftes, blieb nach der Abspaltung von der Reichsherrschaft Homburg im Jahr 1604 und der Regelung nach dem Stichjahr 1624 beim vormaligen lutherischen Glauben der Homburger, die erst 1605 mit Ludwig dem Älteren zum reformierten Glauben gewechselt waren. Das alles hinderte nicht, dass die Düsseldorfer Räte bei der Besetzung der Bürgermeisterstellen in Waldbröl ausschließlich katholische Beamte einsetzten, ihren Einfluß zugunsten des Katholizismus geltend machten, andererseits aber in der Bevölkerung die Dominanz der Protestanten lange erhalten blieb. Das im Ort noch heute zu besichtigende sog. Streitkreuz erinnert an die Wirren, die bis ins frühen 18. Jh zwischen den Konfessionen herrschten.

 

Die Folgen von Armut, Krieg und globaler Transformation

Wichtiger als diese Gemengelage aus dem Erbe der Reformationszeit waren die wirtschaftlichen Gegebenheiten des 19.Jhs. Nicht nur gab es seit dem frühen 19.Jh. eine bedeutende Binnenwanderung und Arbeitsmigration aus dem ländlich-armen südlichen Oberberg in die Städte an Rhein, Wupper und Ruhr, aus Barmen und dem Wuppertal drang der dort einflussreiche Pietismus schnell in die evangelischen Heimatgemeinden des südlichen Oberberg. Bis ins 20. Jh und die Gegenwart blieben diese Beziehungen erhalten.

Durch die Tätigkeit eines oberbergischen Politikers in den Jahren der Bundesrepublik, der u.a. die Kontakte zu den ausreisewilligen deutschstämmigen Aussiedlern in Russland im Rahmen seines Amtes wahrnahm, kamen Aussiedler verstärkt in den Waldbröler Raum und brachten ihre traditionellen religiösen Gemeinschaften mit. Ihre Integrationswilligkeit steht ebensowenig in Zweifel wie der Wunsch, gewachsene Bindungen aufrecht zu erhalten.

Das Spektrum erweiterte sich nochmals, als auch die moslemische Zuwanderung nach einem geistlichen Zuhause drängte, dieses auch im Gewerbegebiet realisieren konnte und als auf dem Weg der Neunutzung der ehemaligen Akademie der Bundeswehr sich ein europäisches Zentrum des Buddhismus am Ort niederließ und seine Attraktivität entfaltete.

Ein historisch zu nennender Ring schließt sich damit und ruft alle zu einem neuen Miteinander auf.

 

Literatur u.a.:

Corbach, Gottfried, Die kirchlichen Verhältnisse im Oberbergischen in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts, Nachdruck in Beiträge zur Bergischen Geschichte Köln 2001

Goebel, Klaus (Hrsg.) . Christliches Leben im Homburger Land ,Nümbrecht 2004 , darin u.a. Melk, Ulrich, Von der Reformationszeit bis zum Ende des 16.Jh., S.25ff. und „Die Situation in Waldbröl nach 1605“ S. 39ff.

Schröder Karl, Geschichte der katholischen Pfarrgemeinde St. Michael, 1966

Ludwig-Weber, Birgit, Regionalgeschichtliche Museen als Bildungsstätten und Lernorte für Aussiedler, Gummersbach 1991

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