Aus dem Schulleben des ehemaligen Kreises. Blick in eine Schulchronik vor mehr als 100 Jahren

 

Der schulgeschichtliche und ortsgeschichtliche Reichtum der erhaltenen Chroniken ist lange nicht ausgeschöpft[1]. Er liegt in den detaillierten Schilderungen lokaler und persönlicher Verhältnisse durch einzelne Chronisten. Dies für eine Zeit, wo andere örtliche Quellen weitgehend entfallen. Nicht weniger groß ist der Reiz, der von manchen Aussagen als sprachlichen Zeugnissen ausgeht, insofern in ihnen die Persönlichkeit der Chronisten lebendig hervortritt. Dass zugleich der Wind der Zeit durch die Aufzeichnungen erkennbar hindurch weht, verstärkt dieses Interesse. Festzustellen bleibt allerdings ebenso, dass der Leser für den innerschulischen Teil auf Vermutungen angewiesen ist, solange nicht weitere Bearbeitungen von Chroniken und Zeitquellen hinzutreten, die es erlauben, über die einzelnen Zeugnisse hinauszugehen. Daher ist u.a. ein Seitenblick auf die Schulverhältnisse der Kaiserzeit naheliegend.

 

Bis 1925 stieg die Zahl der Schulen im engeren Gemeindegebiet von Waldbröl auf 15, mit kräftigem Schub vor der Jahrhundertwende. Welche Schulen das waren, lässt sich verschiedenen Darstellungen entnehmen.[2] Die Schulen in den Außenorten litten ersichtlich unter der mangelnden Infrastruktur bei äußerst schlechten Straßen und Wegen, aber auch unter fehlendem Interesse seitens der bäuerlichen Bevölkerung, die ihre Kinder als Arbeitskraft brauchte. Die regelmäßige Beschulung zu sichern und voranzubringen war aufgrund der schlechteren Vergütung, des häufigen Wegzugs der Lehrkräfte und fehlender Bewerber um vakante Stellen eine schwer zu lösende Aufgabe. Äußerungen zu der prekären Personalsituation und der mangelhaften Unterrichtsteilnahme durchziehen lange die Chroniken. Die Dokumentationen aus dem ehemaligen Kreis Waldbröl liegen inzwischen weitgehend in maschinenschriftlicher Übertragung vor. Wir nehmen im folgenden als Beispiel die beiden Chroniken des in der Gemeinde Morsbach gelegenen Holpe, das bis zur Auflösung des Kreises zu Waldbröl und seinem Schulamtsbezirk gehörte und beschränken uns im vorliegenden Zusammenhang auf die Thematik der damals erkennbar schwierigen Durchsetzung der Schulpflicht und die Hintergründe..

 

Der Einzugsbereich der beiden konfessionellen Schulen in Holpe umfasste, folgt man den verstreuten Aufzeichnungen der erhaltenen Chroniken, Mitte der 70er Jahre des 19.Jh. zwanzig kleine Ortschaften, nachdem zuletzt Wallerhausen dazugekommen war. Die Schulen lagen im Einzugsgebiet bis zu 40 Minuten und mehr entfernt und die Wege führten meist über "unwegsame Höhen" oder waren „enge Talwege" mit den üblichen jahreszeitlichen Behinderungen. Nur wenige Kinder konnten die einzige in nordsüdlicher Richtung führende Straße benutzen, die meisten benutzen Pfade und Schulwege, die sich wie Kirchwege, Mühlenwege oder Friedhofswege im Laufe der Zeit ihr eigenes Wegemuster über Berg und Tal gegraben hatten. Im Winter blieben die Kinder aus den Höfen über Mittag am Schulort, da der Weg zu anstrengend war. In den Sommermonaten mussten viele Kinder vor dem Weg zur Schule das Vieh hüten.

Andere erscheinen, solange die im Berichtszeitraum deutlich strenger werdende staatliche Aufsicht nicht greift, überhaupt nicht zur Schule, weil sie den Eltern in der Landwirtschaft helfen oder die Eltern (so vor 1857!) die fällige Abgabe für die Unterhaltung der Schule und des Lehrers nicht bezahlen können. Die katholische Chronik spricht von 1/3 der Schülerschaft, welche am Unterricht nur unregelmäßig teilnimmt, mit großer Schwankung auch in den späteren Jahrzehnten, solange keine merklichen Strafen eingeführt waren. Zur Normalität gehörte, dass Jahr für Jahr Kinder wegen Erreichens der Altersgrenze entlassen werden, obwohl sie die Ausbildung nicht abgeschlossen haben. Dass die Zahl der Schüler sich zwischen 1848 und 1875 erhöhte, lag wohl auch daran, dass das Schulgeld wegfiel, der Staat eine zunehmend strengere Aufsicht ausübte und der Wert einer Schulausbildung auch auf dem Land mit fortschreitender Industrialisierung und wirtschaftlicher Entwicklung eines Tages anders gesehen wurde.

 

Es war selbstverständlich, dass die Lehrer an den Landschulen auf die personellen und wirtschaftlichen Erfordernisse in den bäuerlichen Familien Rücksicht nehmen mussten. Die Behörde hatte dies ebenfalls in Rechnung zu stellen und kam den Gegebenheiten vor Ort mal mehr mal weniger entgegen, obwohl sie in der Frage der Schulversäumnisse, die auf die Tüchtigkeit und Brauchbarkeit der Schulabgänger durchschlug, zu immer stärkeren Kontrollen neigte. Die Durchsetzung der Schulpflicht wurde auch hier zum Dauerthema und glich einem Kampf gegen Windmühlen.[i] Es führte schon früh zu ernsten Ermahnungen der Lehrer, auf "pünktlichste" Eintragung der Entschuldigungsgründe zu achten und keine nachträglichen Entschuldigungen anzuerkennen (vgl 1883, ev. Chronik S.15). Der Bürgermeister machte lt. Eintragung des Lehrers B. die Lehrer für die Folgen einer Unterlassung persönlich verantwortlich. Eine ergänzende Regelung verpflichtete wenig später die Lehrer, nicht nur die Versäumnislisten wöchentlich einzureichen und ein Jahr aufzubewahren, sondern darüber hinaus Abwesenheitslisten zehn Jahre aufzubewahren, damit Minderleistungen von Rekruten (sic) nachträglich aufzuklären seien.

Es war dies ein ewiger Kampf. Auch im Folgejahr weist der Bürgermeister noch einmal zu Beginn des Winters auf die Verfügung von 1882 hin und bezieht sich für die Durchführungsmodalitäten bei den unentschuldigten Versäumnissen auf eine Anweisung vom 20.1.1874, die wenig später erneut zitiert wird. Bereits 1883 war die Rede von wöchentlich einzureichenden Listen mit zehnjähriger Aufbewahrungspflicht. Um mangelndes Wissen der Rekruten in der militärischen Ausbildung – wie es heißt – auf seine Ursachen zurückverfolgen zu können, werden die Schulen in die Pflicht genommen.

 

Deutlich ist also zwischen 1875 und 1914 eine zunehmende Sanktionierung von Schulausfällen und eine immer schärfere Kontrolle. Die Lehrer reagieren entsprechend unwillig auf die anhaltend hohen Versäumniszahlen: So etwa Lehrer W. 1907, wenn er wie viele Kollegen ein weiteres Mal die ihm abverlangte Statistik sprechen lässt und ärgerlich notiert:

 

„Die Zahl der Versäumnisse war im Sommersemester ungewöhnlich groß. Sie betrug in der I. Klasse im Mai 129, Juni 104, Juli 42, August 132 und im Sept. 132 volle Tage = 539 Tage, bei einer Schülerzahl von durchschnittl. 63“.

 

Als der Chronist im gleichen Jahr auf eine andere Stelle am Niederrhein wechselt, spricht er unter den Problemen seiner in Holpe verbrachten beinahe 24 Jahre die hohen Schülerzahlen ebenso wie die Schulversäumnisse als besonders belastendan.

Im Sommer waren es die häusliche Inanspruchnahme und immer wieder erwähnte Gleichgültigkeit der ländlichen Bevölkerung, im Winter die Witterungsverhältnisse, die für die Ausfälle sorgten. In den belastenden Kriegsjahren häuften sich diese Ausfälle um ein weiteres und die Behörden reagierten mit Geldstrafen, was die Eltern gegen die Lehrer aufbrachte. Die wirtschaftliche Bedeutung der Kinderarbeit für die Haushalte und Höfe war nicht zuletzt Ursache des Dilemmas und eine Erklärung für die oft betonte Gleichgültigkeit..

 

Als dann plötzlich dieses rechtswidrige Verhalten der Eltern durch Geldstrafen geahndet wurde, da setzte eine merkliche Verstimmung gegen den Lehrer ein, der doch das unentschuldigte Fehlen der Schulkinder hätte "totschweigen" können, damit das seelische Gleichgewicht nur ja nicht ins Wanken geriet. Es ergibt sich am Ende des Jahrhunderts zusammen mit den spürbaren wirtschaftlichen Veränderungen und einer wachsenden Mobilität erstmals eine nicht nur von außen erzwungene erste Änderung des Verhaltens.

Bis dahin versucht der preußische Staat mit neuen Bestimmungen immer mehr die gesetzliche Schulpflicht gegen die privaten Interessen von Eltern und Arbeitgebern durchzusetzen, er verschärft Meldewesen und Strafen, weil er gut ausgebildete Arbeiter und Rekruten braucht, und er bedient sich dabei der Lehrerschaft als beamteter Helfer. Es wird um der technischen und militärischen Entwicklung willen partiell eine stark fordernde Praxis erkennbar, die jedoch zu der über Jahrzehnte geduldeten pädagogischen Rückständigkeit im Schulwesen in auffallendem Widerspruch steht und eine viel weiter reichende Reform des Schulwesens, so wie von den fortschrittlichen Kräften auch in der Lehrerschaft gefordert, erforderlich gemacht hätte.

Alles dies schloss Rücksichtnahmen auf die Bedürfnisse der Landwirtschaft und deren meist witterungsbedingte Notlagen (vgl das Dürrejahr1893) nicht aus, wenn auch früh amtlich streng untersagt war (Verfügung 1883), Kinder während der Schulzeit in der Landwirtschaft oder anderswo zu beschäftigen. Ferientermine dagegen passten sich gelegentlich den Witterungsbedingungen an. Hier zwei Beispiele. 1905 heißt es in der kath. Chronik :

Gemäß Verfügung Königl. Regierung wurde durch Bekanntmachung des H Bürgermeisters Voss der Schulunterricht am 26. Oktober bis zum 9. November ausgesetzt, damit die Schulkinder den Eltern bei der den durch fortwährenden Regen verzögerten Feldarbeiten helfen könnten“.

Über eine spontane und flexible Regelung der Unterrichtszeit wegen verspäteter Waldbeerernte, die für die Selbstversorgung der Familie eine wichtige Rolle spielte, erfährt man im folgenden Jahr 1906 in dergleichen Chronik:

„Um den Schulkindern Gelegenheit zu geben, die Waldbeersuche nach Möglichkeit noch auszunutzen im Einverständnis mit dem Herrn Landrat und dem Herrn Ortsschulinspektor vom Bürgermeister Voss zu Morsbach zum 20. Juli folgendes angeordnet : Die Nachmittage der nächsten Woche 23. - 28 Juli, sind schulfrei. Der Vormittagsunterricht wird dafür um eine Stunde verlängert und beginnt in allen Schulen in der Woche schon um 7 Uhr morgens.“

 

Wilhelminische Schulpolitik

Nach 1857 war in Preußen das Unterrichtswesen auf der Grundlage der bis 1872 gültigen sog. „Stiehlschen Regulative“ neu geordnet worden. Diese sollten als Regelwerk der Verwaltung das der Lehrerschaft im Zug der Veränderungen von 1848 zunächst versprochene allgemeine Schulgesetz, überflüssig machen, das gesellschaftlich höchst umstritten und parlamentarisch nicht durchzusetzen war. Inhaltlich bedeuteten die Regulative wegen der staatlich gewünschten Privilegierung der religiösen Unterweisung und der damit verbundenen Vernachlässigung der erhofften Modernisierung im Schulwesen einen Rückschritt hinter die Forderungen von 1848, was bei Teilen der preußischen Lehrerschaft zu Protesten führte[ii].

1872 folgten dann im Rahmen des Kulturkampfes des Ministers Falk "Allgemeine Bestimmungen" für den Unterricht und das neue Schulaufsichtsgesetz, die beide ebenso wie die Maigesetze des Jahres 1873 den seit den Regelungen des Preußischen Landrechts eingebürgerten geistlichen Einfluss auf die Schule zurückdrängen sollten. Die Weiterentwicklung des Volksschulwesens auf der bestehenden Grundlage schien einem allgemeinen Wunsch zu entsprechen.[iii] Die Schulaufsicht sollte erstmals in Preußen ganz auf den Staat übergehen.[iv] Der gesellschaftliche und politische Widerstand der Kirchen und ihrer Klientel verhinderte zusammen mit einem Wandel der tagespolitischen Erfordernisse und neuer Einschätzung der Interessenlage des Staates (Kampf gegen die Sozialdemokratie nach dem Kaiserwechsel von 1888) die Durchsetzung der nötigen Reformen.[v]

 

Zum ersten Mal 1874 tritt an die Stelle der geistlichen Herren als Kreisschulinspektor für die kath. Schulen für kurze Zeit ein wissenschaftlich ausgebildeter Gymnasiallehrer, Dr. Brandenburg, ehe der Direktor einer höheren Kölner Töchterschule wiederum kurzfristig das Amt des Kreisschulinspektors für die Schulen der Kreise Gummersbach und Waldbröl übernimmt. Ihm folgt 1875 für mehr als 25 Jahre als Kreisschuldirektor der Kölner Prosch, der vorher ein ähnliches Amt als Rektor einer höheren Mädchenschule dort bekleidet hatte. 1919 vermerkt der damalige kath. Chronist bei der Einführung von Seminarlehrer Feuring als Kreisschulinspektor beinahe überrascht über die Berufung eines Fachmanns aus den eigenen Reihen :"Ende Dezember übertrug das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung die Verwaltung des Aufsichtsbezirkes W.[aldbröl]l Herrn Seminaroberlehrer Feuring vorläufig vertretungsweise. Es ist meines Wissens das erste Mal, dass ein nur Seminariker [also ein Pädagoge aus den eigenen Reihen und kein Akademiker oder Geistlicher] den hiesigen Kreis verwaltet.“

 

Lehrer und Gemeinde

Wenig verwunderlich ist, dass sich fast alle Berichterstatter in den vorliegenden Chroniken der Stellungnahme zu schulpolitisch brisanten Themen enthalten. Auf diesem Feld konnte man sich am ehesten auf die bloße Verpflichtung zur Faktendarstellung berufen. Über Mitgliedschaften in Korporationen, Lehrerverbänden und berufsständischen Vertretungen lesen wir in den Chroniken ebenfalls kaum etwas. Erwähnt wird die Teilnahme an behördlich einberufenen Kreislehrerkonferenzen und gelegentlichen Zusammenkünften aus Fortbildungsanlass, die Teilnahme an überörtlichen Tagungen, etwa zur Gesundheitsprophylaxe ebenso wie die Teilnahme an Viehzählungen, Landwirtschaftsfesten oder patriotischen Veranstaltungen.

 

Volksschullehrer waren je nach Länge ihrer Dienstzeit am Ort auf vielfältige Weise in das Dorf integrierte Schlüsselpersonen der Gemeinde. Sie hatten außer der gottgefälligen und staatstreuen Erziehung Aufgaben zu versehen als Organisten, Chorleiter, Wahlhelfer, Bienenzüchter, Landwirtschaftsexperten, Heimatkundler, sowie in Kriegszeiten bei der Vorratszählung und sogar als "Hilfspolizeibeamte.“ Sie vertraten von ihrer Ausbildung und ihrem Stande her nicht nur diese sonst nur spärlich vertretene Schicht vor Ort, sondern zugleich als Beamte den Staat. Dass sie bei offiziellen Anlässen, etwa zum Sedanstag (2. September), am Kriegerdenkmal die Ansprachen hielten, war eine Aufgabe, die ihr rhetorisches Können herausforderte und zugleich ihr Prestige erhöhte. Verwundert liest man heutzutage etwas über die Preise, welche die Lehrer auf landwirtschaftlichen Ausstellungen mit ihren Produkten erhalten, wenn es etwa aus der Feder des Lehrers W. über ein Landwirtschaftsfest in Waldbröl 1896 heißt :

 

Königl. Reg. zu Köln hat dem Antrag des Herrn Landrats Springorum Folge gegeben und für die beiden Tage den Schulunterricht ausgesetzt, damit Lehrer und Schüler sich an dem Feste beteiligen könnten. Leider herrschte an den beiden Tagen eine stürmische, kalte und regnerische Witterung. Die Ausstellung war in dem noch nicht ganz fertig gestellten evangel.. Krankenhause Sämtliche Aussteller aus der Bürgermeisterei Morsbach erhielten Prämien Albert Wirths aus Wallerhausen für Kraut 5 Mark, Heinrich Hingsberg, Lehrer zu  Lichtenberg, für landwirtschaftliche Erzeugnisse 5 Mark, Philipp Wannemacher, Lehrer zu Holpe, für landwirtschaftliche Erzeugnisse eine Schale und ein Ehrendiplom und ich für bienenwirtschaftliche Erzeugnisse, Scheibenhonig, Schleuderhonig, Wachs und Geräte sowie für Verdienste um die Bienenzucht und den Ehrenpreis eine echt silberne Schale und ein Ehrendiplom.

 

Das allgemeine Ansehen des Volksschullehrers besserte sich trotz der Vielseitigkeit und Bedeutung des Amtes nur in dem Maße, wie der sich modernisierende Staat begann, Wert auf die Qualität von Bildung und Ausbildung zu legen, für eine bessere Lehrerausbildung in eigenen Ausbildungseinrichtungen sorgte und die Lehrer materiell besser stellte. Dass die alte geistliche Oberaufsicht und damit verbundene andere Auffassung von Volksbildung hier hemmend im Wege standen, war in der Wilhelminischen Zeit andernorts für manche Lehrer eine Herausforderung. Die enge Verbindung von Kirche und Lehrerschaft bildet dagegen im lokalen Raum, wie es scheint, lange eine Konstante. Dies gilt für die katholische Diaspora nicht weniger als für die protestantische Seite.

 

Lehrer als Kriegsteilnehmer 14/18

Wenn an anderer Stelle von den vielseitigen Aufgaben der Lehrerschaft in der Wilhelminischen Zeit die Rede war, so bleibt zu ergänzen, dass ihnen als Soldaten des Königs und Kaisers eine weitere Rolle zufiel. Als Einjährige ausgebildet und nach entsprechenden Übungseinsätzen vielfach zu Reserveoffizieren geworden, stellten sie bei Ausbruch des Krieges die mittleren und gehobenen Führungskader der Armee und wurden gleich zu Beginn des Krieges in großer Zahl eingezogen. Die folgende Passage aus der ev. Chronik reflektiert dies deutlich. Der Chronist drückt mit dem Zitat eines fremden Textes zu Beginn des Krieges seinen Stolz auf die damit verbundene Rolle aus, welche die Lehrer für das Vaterland in diesen Tagen spielen:

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"40 000 deutsche Lehrer in der Front! ´´ Ungefähr 40 000 Lehrer sind in den Kampf gezogen; aus Bayern allein 1000. Da seit dem Jahre 1900 Lehrer als Einjährige dienen können, liegt auf der Hand, dass die große Mehrheit jetzt eine Charge bekleidet. Viele Lehrer waren bereits in Friedenszeiten zu Reserveoffizieren befördert worden, und Tausende zogen als Feldwebelleutnante aus. Kurz vor dem Kriege hegte man in Reserveoffizierskreisen ein Vorurteil den Lehrern gegenüber, das ist nunmehr so gut wie geschwunden. Dass sie sich durch Mut und Tapferkeit auszeichneten, geht daraus hervor, dass bereits einer großen Zahl von ihnen das Eiserne Kreuz verliehen wurde. Es wird die Zahl 500 angegeben, 1200 sollen schon gefallen sein.“

 

Lange Seiten mit Namen und Herkunft der Kriegsteilnehmer und den Schicksalen der Gefallenen aus allen Dörfern der Gemeinde finden später in vielen Gemeinden Eingang in die Chroniken.

 



[1] Über die Im Stadtarchiv Waldbröl sowie in den ehemals zum Kreis gehörigen Gemeinden Denklingen , Eckenhagen , Morsbach erhaltenen Chroniken: informiert speziell Heft 1 der „Materialien und Quellen zur oberbergischen Regionalgeschichte“ mit dem Titel „Archivierte Schulchroniken oberbergischer Volksschulen“ bearbeitet von Klaus Niebel und Klaus Pampus und publiziert 2001 vom Bergischen Geschichtsverein. Die beiden Chroniken von Holpe erschienen in Auszügen in Heft 5 der gleichen Reihe.

[2] U.a. Budde, Otto , Bilder aus der Geschichte der Stadt Waldbröl und ihrer Schulen , maschinenschriftl. 1972 115 S.



[i] Ein Erlaß von 1845 des Ministers für den geistlichen Unterricht und Medicinalangelegenheiten mit 17 Paragraphen zum Verfahren bei Bestrafung der Schulversäumnisse in den Elementarschulen der Rhein-Provinz nahm bereits Bezug auf eine noch frühere 1833 erfolgte Instruktion über die einzuhaltenden Verfahrensweisen und ihr folgte 1873 eine nicht minder geharnischte Verordnung des Ministers des Inneren über Strafvollstreckung bei Schulversäumnissen ( wörtlich in : Schulchroniken aus dem Krs Euskirchen , Bd.V 1995, S.14ff. und S.91)

[ii] vgl. Stiehls Beschreibung der Schulsituation in Preußen und seiner eigenen Handlungsmotive wiedergegeben und besprochen in: No. 23. Provinzial-Correspondenz, Zehnter Jahrgang. 5. Juni 1872. vgl URL: http://amtspresse.staatsbibliothek-berlin.de

 

[iii] vgl. den Bericht über eine mehr als achttägige Konferenz von Sachverständigen im Preußischen Unterrichtsministerium, wo es u.a. heißt: "In erster Linie ist hervorzuheben, dass die Frage, ob eine zeitgemäße Abänderung der im Verwaltungswege getroffenen Bestimmungen über die Volksschule, also eine Umgestaltung der erwähnten Regulative, wünschenswerth sei, von keiner Seite verneint wurde", zitiert nach No. 33, Provinzial-Correspondenz, Zehnter Jahrgang. 14. August 1872.

 

[iv] vgl. Auszüge aus der Rede Falks vom 9.2.1872 im Abgeordnetenhaus in: URL: www. amtspresse.staatsbibliothek-berlin.de , No. 7. Provinzial-Correspondenz, Zehnter Jahrgang. 14. Februar 1872

 

[v] Klaus Göbel, Das Schulaufsichtsgesetz und die neuen Bestimmungen. In: Die Geschichte der evangelischen Kirche der Union, Bd 2 Leipzig 1994, S.216-224, darin dgl. zwei weitere dem Thema gewidmete Beiträge des Autors , u.a. Die Auseinandersetzung um die konfessionelle Schule und das preußische Volksschulunterhaltungsgesetz von 1906, a.a.O S. 373-383